Interview mit Dr. Joe Dispenza

Rauh:

Also, Dr. Joe, vielen Dank für die spontane Möglichkeit bei diesem Workshop, Sie zu interviewen. Und ich denke, dies könnte auch eine großartige Gelegenheit für Zuhörer sein, darüber nachzudenken, vielleicht zu einem Ihrer anderen Workshops zu gehen, die Sie abhalten, wie beispielsweise in der Schweiz. Dort wird der nächste stattfinden, und meine Frau wird dort sein. Und in München wird es das Follow-up geben, wo ich wieder dabei sein werde. Also, ich bin von Ihnen überzeugt, wie viele andere auch, und genieße jetzt wirklich die Zeit für das Interview. Wenn man im Internet nachschaut, insbesondere nach Ihren Büchern, findet man viel Geschriebenes darüber, was Sie in Ihrem Leben sonst noch getan haben. Könnten Sie ein wenig darüber berichten, was Sie tun und wer Sie sind?

Dispenza:

Sicherlich. Ich denke, dass wir uns an einem Punkt in der Geschichte befinden, an dem wir noch nicht genug wissen. Dies ist ein Punkt in der Geschichte, an dem wir nur die Hälfte kennen. Meine Leidenschaft, Dirk, ist es, das Wunder zu entmystifizieren. Damit jeder Mensch alle Werkzeuge zur Verfügung hat, um notwendige Veränderungen in sich selbst und in seinem Leben vorzunehmen. Wissenschaft ist für mich die zeitgenössische Sprache der Mystik. In dem Moment, in dem sie über Religion, Kultur oder Tradition sprechen, teilen sie ein Publikum. Aber die Wissenschaft schafft Gemeinsamkeit und sie vereint. Mein Interesse liegt also darin, die Bereiche der Quantenphysik und der Neurowissenschaften und der engen Phrenologie in der Zellbiologie sowie in der Genetik und Psychologie zu tadeln. Ich möchte, dass Menschen ein Verständnis für das Potenzial bekommen. Wenn Wissen Macht ist, ist das Wissen über sich selbst Selbstermächtigung, und ich möchte, dass die Menschen genug Selbstermächtigung erhalten, um diese Prinzipien anzuwenden und zu sehen, dass sie die Wissenschaftler in ihrem eigenen Leben werden können. Und sie können natürlich die Auswirkungen auf sich selbst messen. Daher habe ich einen enormen Forschungsaufwand betrieben, um den Menschen zu helfen, den Prozess der persönlichen Transformation in Gang zu setzen.

Rauh:

Wie können Sie das messen? Gestern haben Sie gesagt, dass es mit Proteinen zu tun hat, wenn man selbst der Schöpfer ist. Wie können Sie das messen, wie können Sie wissenschaftlich nachweisen, dass sich etwas geändert hat?

Dispenza:

Nun, das ist der Punkt, an dem ich gerade interessiert bin; zum Beispiel in unseren Workshops für Fortgeschrittene. Die Leute werden an diesem Wochenende zu einem progressiven Workshop kommen. Sie haben die Möglichkeit, weiter zu arbeiten. Und so werden wir eine Gemeinschaft von vierhundertfünfzig bis fünfhundert Menschen zusammenbringen und eine Reihe von Tagen durchlaufen. Sie werden hierherkommen, einige Leute lassen ihr Gehirn scannen, sie werden vier Tage lang trainieren und am Ende werden wir wieder ihr Gehirn scannen. Also ein Vorher und ein Nachher. Wir werden das Gehirn der Teilnehmer auch während der Meditation messen. Wir werden das Herz der Menschen Messungen unterziehen, wenn sie Dankbarkeit ausdrücken, wenn sie Freundlichkeit und Liebe und Fürsorge zum Ausdruck bringen und wenn sie frustriert und ungeduldig sind. Und wir bringen ihnen bei, wie man diesen inneren Zustand reguliert. Das ist wirklich die Programmierung ihres autonomen Nervensystems. Wir messen ebenso die Zusammensetzung des Urins und messen bestimmte Werte. Nach vier Tagen intensiven Trainings mit den meisten wichtigen, sehr spezifischen Metaboliten und ihren Hormonen wird sich herausstellen, dass nach vier Tagen genetische Veränderungen eingetreten sind. Nun, es gibt viele Variablen. Bevor wir nach sehr spezifischen Dingen suchen, nach sehr spezifischen Markern und Indikatoren, wissen wir, dass einige dieser Veränderungen mit Veränderungen der Gehirnfunktion und Veränderungen der Energie ihrer Körper korrelieren, ebenso wie mit Veränderungen in der Energie im Raum. Wir können anfangen zu korrelieren und beginnen, diese Veränderungen in ein größeres Modell des Verstehens einfließen zu lassen, damit wir dies das nächste Mal noch besser unterrichten können.

Rauh:

Okay. Als Sie sagten, es sei eine Feststellung, dass es sogar so weit geht, dass sogar die Gene nur darauf warten, aktiviert zu werden – ich finde, das ist revolutionär.

Dispenza:

Nun, das zentrale Dogma – in der Wissenschaft heißt es das zentrale Dogma – ist, dass unsere Gene unser Schicksal sind und das ist absolut nicht die Wahrheit. Unsere Gene sind eine Bibliothek von Potenzialen. Nun, für mich sind bestimmte Gene fester verdrahtet als andere. Genau wie das Gehirn bestimmte Bereiche hat, die mehr „Hardware“ sind als andere. Wenn Sie mit einer genetischen Erkrankung wie Typ-1-Diabetes oder Sichelzellenanämie geboren wurden, wurde das Gen in Europa programmiert. Das ist sehr schwer zu überwinden, weil die Gene reaktiviert werden. Dies betrifft fünf Prozent der Menschen auf unserem Planeten. Und für die anderen fünfundneunzig Prozent gilt, dass wir diese Krankheiten aufgrund unseres Lebensstil und unserer Entscheidungen und Verhaltensweisen entwickeln. Das nennt man dann eine chronische Erkrankung. Und die Medizin geht nicht gern auf chronische Erkrankungen ein, außer durch die Einnahme von Medikamenten. Weil es eine Änderung des Lebensstils erfordert. Die neuesten Forschungen in der Genetik zeigen, dass wenn du etwas Neues erlernst, du dann eine andere Wahl triffst. Du zeigst ein anderes Verhalten. Du machst eine sehr tiefe Erfahrung. Du umarmst deine Emotionen, und als Ergebnis davon zeigen sich definitiv genetische Signale. Gene sind also wie Weihnachtsbaumbeleuchtungen, die ständig ein- und ausgeschaltet werden. Du regelst sie hoch für Wachstum und Gesundheit und du regelst sie herunter oder schaltest sie aus für Krankheit. Mein Interesse in diesem Zusammenhang ist es, das richtige Gen auszuwählen und zu instruieren, dann veranlasst die Person, die aufgrund ihres Lebensstils das falsche Gen auf die falsche Weise signalisiert hat, dieses Gen jetzt herunter zu regeln und ein neues Gen zu stimulieren, das Gesundheit schaffen könnte. Wir haben also achtundneunzig Prozent unserer DNA, die darauf warten, mit den richtigen Signalen aktiviert zu werden.

Rauh:

Okay. Ich erlebe, dass etwas in der Therapie ein sehr großes Thema in der Arbeit mit Menschen ist, und ich habe es hier bisher noch nicht gehört. Die Frage diesbezüglich ist die Ökologie. Jemand fühlt sich zum Beispiel als Opfer von Schikanierung und das ist seine Geschichte und so lebt er sein Leben. Und jetzt fängt er an, ein neues Leben zu erschaffen. Jetzt könnte er zum Beispiel andere mehr schikanieren. Ist das eine Option?

Dispenza:

Oh, absolut. Aber ich weiß, das ist der Grund, warum Veränderungen so schwer sind, weil das Schwierigste an Veränderungen darin besteht, nicht die gleichen Entscheidungen zu treffen, die er am Tag zuvor getroffen hat. Die Person überwindet also bestimmte Bedingungen in ihrem Leben, muss aber unterschiedliche Entscheidungen treffen. Sie müssen in der Lage sein, ihren Gedanken mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Rauh:

Gut, ich verstehe.

Dispenza:

Man wird bewusster und muss diese Emotionen beobachten. Je mehr man sich dessen bewusst wird, des unbewussten Programms, desto weniger handelt man unbewusst. Dies ist der grundlegende Grund, warum Menschen zu demselben Leben zurückkehren, weil sie zu denselben vertrauten Emotionen zurückkehren, weil sie sich so lange damit identifiziert haben. Wenn ich mich davon wegbewege, wenn ich mich in das Unwissende begebe, mich in die Leere begebe und dort bleibe, von dort aus kreire – das ist der Ort, wo die wahre Magie geschieht.

Rauh:

Also, sobald sie ihr eigenes Verhalten beobachten, befinden sie sich außerhalb des unbewussten Musters. Ist das ihr …

Dispenza:

Sie sind – sie sind nicht länger das Problem. Das Bewusstsein beobachtet das Problem.

Rauh:

Man ist der Beobachter du kannst damit beginnen, bewusst alles zu erschaffen, was man erschaffen möchte.

Dispenza:

Richtig. Du kannst damit beginnen, vom alten Selbst zum neuen Selbst zu gehen, und es wird sich unangenehm anfühlen, es wird sich ungewohnt anfühlen, unberechenbar, weil du dich im Reich des Unbekannten befindest. Die meisten Leute flüchten zum Gewohnten zurück. So lange, bis wir verstehen, dass wir aus diesem Unbekannten erschaffen können; du kannst das nicht aus dem Bekannten erschaffen – es ist nur noch mehr von dem, was du schon kennst.

Rauh:

Richtig, ja. Nun, Sie haben auch gesagt, Ursache -> Wirkung ist die alte Geschichte, die neue Geschichte besteht darin, Auswirkungen zu verursachen. Was genau – ich kenne natürlich das Ursache-Wirkung-Prinzip.

Dispenza:

Ja, ich meine – ich denke, die meisten Leute warten darauf, dass etwas außerhalb von ihnen etwas in ihnen verändert. Sie warten darauf, dass sie zu Wohlstand kommen, sie warten auf eine neue Beziehung, sie warten auf neue Erfahrungen und darauf, Freude und Dankbarkeit zu empfinden oder sich in das Leben zu verlieben. Das ist das alte Modell der Realität, das ist das Newtonsche Modell. Etwas außerhalb von dir verändert etwas in dir. Du bemerkst, dass du dich in dir anders fühlst, gut oder schlecht. Du achtest darauf, wer oder was es verursacht hat. Das ist Ursache-Wirkung und die Opferhaltung deiner Umgebung gegenüber, und heißt dass deine persönliche Realität deine Persönlichkeit beeinflusst. Bei dem Quantenmodell der Realität geht es darum, eine Auswirkung zu verursachen. Es geht darum, dass deine Persönlichkeit beginnt, deine persönliche Realität zu beeinflussen. Wenn du also interne Veränderungen vornimmst, dadurch wie du denkst und wie du dich fühlst, mit einer klaren Absicht und einer erhöhten Emotion, dann beginst du dein Schicksal zu beeinflussen. Die Replikation des Prozesses, bei der Schaffung eines neuen Seinszustands, sollte also passend sein zu deiner gewünschten Welt, und das ist das Quantenmodell. Wenn also eine Person damit fortfährt ihre inneren Veränderungen vorzunehmen und plötzlich sieht, dass das Universum Ereignisse in ihrem Leben organisiert die ihrem neuen Seinszustand entsprechen, dann verursachen sie die Wirkung.

Rauh:

Was bedeutet Weisheit für Sie?

Dispenza:

Ich habe viel über Weisheit nachgedacht, weil dieses Wort so häufig verwendet wird. Ich denke, wir lernen Informationen auf philosophische Weise, wir lernen sie theoretisch. Und das ist Semantik. Eine bestimmte Anzahl von Personen wenden diese Informationen an oder personalisieren sie und führen sie vor. Sie werden diese Philosophie initiieren und, wenn sie es ordentlich machen und es richtigmachen, werden sie ein Verhalten entwickeln, das ihren Absichten entspricht. Sie werden eine neue Erfahrung machen. Die neue Erfahrung reorganisiert dann die Schaltkreise und bereichert die Verbindungen im Gehirn und das Gehirn bildet eine Chemikalie. Und diese Chemikalien rufen ein Gefühl oder eine Emotion hervor. Du kannst also ein Buch lesen und eine Führungspersönlichkeit sein, oder du kannst ein Buch lesen und bist ein großartiger Elternteil. Du kannst das Buch über Mitgefühl lesen, aber das ist alles Philosophie, bis du diese Prinzipien tatsächlich auf dein Leben anwendest. Wenn du Mitgefühl empfindest, wenn du dich als Führungskraft fühlst, wenn du dich als geduldige Person empfindest und wenn du die Emotionen spürst. Jetzt lehrst du deinem Körper auf der chemischen Ebene, das zu verstehen, was dein Verstand auf der intellektuellen Ebene versteht. So ist es nun eine Erfahrung für den Geist wie auch für den Körper und in diesem Moment auch für das eigene Körperwissen. Aber es reicht nicht aus, dies einmal zu tun. Du musst die Erfahrung wiederholen. Du musst in der Lage sein, es auf Befehl zu tun und mit deinem Willen auszulösen, und wenn du weißt, dass du weißt, wie man es macht, dann heißt das, dass du es so oft getan hast, dass du deinen Körper neurologisch und chemisch so zu konditionieren verstehst, dass er ebenso wie dein Verstand weiß, wie es geht. Wenn der Geist und der Körper zu einer Einheit verschmelzen, bist du im Zustand des Seins. Jetzt kannst du es meistern, jetzt wird es zur Weisheit. Wenn du also weisst, wie man etwas bewerkstelligt, wirst du allmählich weise. Nach meinem Verständnis von Weisheit haben wir alle Erfahrungen in unserem Leben gemacht, die uns emotional prägen. Und die Emotionen verbinden uns mit der Vergangenheit. Wenn wir die Emotionen endlich überwinden, können wir etwas Neues erschaffen. Und die Erinnerung ohne die emotionale Last nennt sich Weisheit, denn jetzt bist du nicht länger in der Vergangenheit verankert. Und die Seele, die das Unbekannte liebt und erleben möchte, ist nun frei, um eine neue Wirkung in unserem Leben zu erfahren. Wir können nichts Neues erleben, wenn wir mit vertrauten Emotionen verbunden sind, weil die Seele nicht die Weisheit hat, sich weiterzuentwickeln.

Rauh:

Und dann sind sie weise …

Dispenza:

Ja, die Weisheit ist in der Seele gespeichert …

Rauh:

… und du bist mit Weisheit beseelt, richtig. Ich habe mit einer persönlichen Frage begonnen, Dr. Joe. Wenn ich darf, möchte ich mit einer persönlichen Frage enden. Was ängstigt Sie, wovor fürchten Sie sich?

Dispenza:

Ach herrje, ich bin ein ganz normaler Typ. Und ich befinde mich in der Entwicklungsphase. Ich glaube, die Herausforderung, der ich auf einer tiefen Ebene gegenüberstehe, ist, dass es mir egal ist, was die Leute über mich denken, es ist mir wirklich egal, was sie über mich sagen. Ich weiß implizit, dass ich zum Leben von Menschen beitrage, weil ich es erfahren habe. Ich glaube, ich befürchte mehr als alles andere, dass wir uns in irgendeiner Weise von dem täuschen lassen, der wir wirklich sind. Ich denke, wir sind zutiefst dimensionale Wesen und wir haben die Möglichkeit, wirklich Gemeinschaften zu bilden. Doch nach einem Programm zu leben, das aus Nachrichten und schlechten Nachrichten und Ausbeutung, Konzernen und Konsum besteht, hält uns egoistisch, und wir werden uns nie wirklich als eine Welt verbinden. Und so fürchte ich, dass wir dieses Fenster verpasst haben, durch das wir endlich ausbrechen und beginnen können eine völlig neue Lebensweise voranzutreiben, während wir uns über andere Gedanken machen und im Herzen zentriert sind und Strukturen bilden, die unserer Spezies helfen sich zu entwickeln anstatt sich zurückzubilden. Ich fürchte also, dass meine große Angst ist, dass das, was ich tue, nicht genug Veränderungen in der Welt hervorruft.

Rauh:

Gut, vielen Dank für Ihre Offenheit. Danke Ihnen..

Finden Sie hier das Original Interview auf Englisch zum Anhören: